Ehefrau berichtet: Ein Schlaganfall hat "unser altes Leben einfach ausgelöscht"
"Völlig aus dem Nichts, ohne jede Vorerkrankung oder sonstige Vorwarnung, erlitt mein Mann im Herbst 2022 einen Schlaganfall. Thomas war bis dahin top-fit. Anfangs wussten wir nicht mal, ob er sich vollständig erholen oder vielleicht Folgeschäden davontragen würde", erzählt Tanja mit leiser Stimme. "Obwohl unsere Familien und Freunde für uns da waren, fühlte ich mich komplett überfordert und allein." Glücklicherweise hat der heute 54-Jährige körperlich erstaunliche Fortschritte gemacht. Die gute medizinische Betreuung und seine Reha haben dazu geführt, dass er fast komplett genesen ist. Dass Thomas' Körper keine bleibenden Schäden davontrug und weder Sinne noch motorische Fähigkeiten beeinträchtigt wurden, ist ein wahres Wunder. Doch auch wenn die Hülle intakt ist – der Geist in ihr scheint ein anderer.
Zukunftsangst – "Wo ist mein Mann hin? Ich erkenne ihn nicht wieder."
"Seine Persönlichkeit änderte sich drastisch. Es war, als wäre ein anderer aus der Reha zurückgekommen. Wo früher ein liebevoller, aufmerksamer Mann war, scheint jetzt ein kalter, zurückweisender Fremder zu sein. Die Leichtigkeit und Freude in unserer Familie scheinen wie weggeblasen. Spreche ich ihn darauf an, kann Thomas es weder sehen noch verstehen. Als hätte es sein altes Ich nie gegeben! Wo ist mein Mann hin? Ich erkenne ihn nicht wieder." Tanjas Stimme zittert.
Das Gefühl, morgens neben einem Fremden aufzuwachen, zermürbt mich ...
"Meine größte Sorge sind unsere drei Kinder. Sie haben den Wandel ja von Anfang an miterlebt. Wie lange kann und soll ich das mitmachen und aus Pflichtgefühl an einer Beziehung festhalten, die sich grundlegend verändert hat? Als ich Thomas mal gefragt habe, ob er überhaupt noch was für mich empfindet, antwortete er: 'Ich weiß es nicht.' Was soll ich da denken? Dass irgendwo, tief im Inneren, doch noch MEIN Thomas ist? Die Verbindung zwischen uns wird gerade auf ihre härteste Probe gestellt."
"Unsere Gesellschaft neigt dazu, sich auf die äußerlich sichtbaren Folgen von Krankheiten zu konzentrieren. Dabei sind die unsichtbaren Narben auf der Seele genauso bedeutsam. Ich versuche, die Hoffnung nicht zu verlieren und ihn, meinen Mann, wiederzufinden. Ich unterstütze ihn, wo ich kann. Doch eins habe ich mir leise geschworen – ich lasse mich nicht zerbrechen. Eher ziehe ich die Reißleine und gebe uns die Chance auf ein neues Leben."
Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe von VIEL SPASS, jeden Mittwoch neu am Kiosk.