Sie war ein gefragtes Model – bis eine Diät zuerst ihre Kurven und dann ihre Karriere schrumpfen ließ. „Essen war entweder Seelenschmeichler oder Sünde für mich“, verrät Sophie Dahl, 31. „Ich kannte nur Extreme: Mit 20 hatte ich eine Käsekuchen-Zeit, und danach begann die Kohlsuppen-Saison.“ Heute sei sie zum ersten Mal glücklich mit ihrer Figur, schreibt Sophie in ihrem Kochbuch „Miss Dahl’s Voluptuous Delights“, das jetzt in England erschienen ist. Hier gibt die Britin nicht nur ihre leckersten Rezepte preis, sondern rechnet auch knallhart mit dem Schlankheitswahn ab.
„Hungern ist nicht sexy“, sagt Sophie, „das Zahnfleisch fängt an zu bluten, der Atem wird schlecht, die Knochen werden brüchig. Und du bist ständig mies gelaunt.“ Sie weiß, wovon sie spricht. Vor acht Jahren magerte sich das Vollweib auf 50 Kilogramm runter – bei einer Körpergröße von 1,80 Metern! „Aus Liebeskummer“, erzählt Sophie, „hörte ich auf zu essen, rauchte stattdessen Hunderte Zigaretten am Tag.“ Nach einer Affäre mit Rolling Stone Mick Jagger hatte Regisseur Griffin Dunne das Model vor die Tür gesetzt. „Ich habe mir nur noch die Augen ausgeheult“, gibt Sophie zu. Und zu der privaten Krise kam auch noch die berufliche.
Mit Befremden registrierte die Modebranche, dass die einstige Vorzeige-Dicke immer schmaler wurde. „Ich bekam fiese Briefe von Frauen, die mich als Heuchlerin beschimpften“, verrät Sophie. Kein Wunder: hatte sie doch vorher immer weibliche Formen propagiert. „Ich bin rund und glücklich“, bekräftigte die Blondine damals immer wieder – und stellte auf dem Laufsteg, wie bei der Show von Vivienne Westwood, ihre Kurven zur Schau. Eine Attitüde, für die sie heute hart mit sich ins Gericht geht. „Ich spielte die Rolle des Vielfraßes. Meine Bestimmung war es zu essen. Jedes Pfund Übergewicht gab den Menschen die Lust auf Genuss zurück.“ Doch als Pfundsfrau fühlte sie sich immer weniger wohl in ihrer Haut: „Je mehr ich aß, desto hungriger wurde ich.“ Auch der Hunger nach Anerkennung und Liebe wurde immer größer. Doch auf dem Catwalk habe sie sich oft bloßgestellt gefühlt, schreibt Sophie in ihrem Buch. „Ich war der Freak.“ Als es dann mit ihrem Gewicht bergab ging, bedeutete das auch einen Karriereknick. Als Size-Zero-Model war sie nur eine von vielen – austauschbar, ohne Wiedererkennungswert.
Im Sommer 2006 zog Sophie die Reißleine, ließ sich in einer irischen Klinik wieder aufpäppeln. „Die Kur lehrte mich Ausgeglichenheit und Selbstbewusstsein“, sagt sie. Und nicht nur das: „Hier habe ich die Freude am Essen zurückgewonnen“ – was besonders ihre Mutter freut. „Unsere Familie war schon immer für ihre Gefräßigkeit bekannt“, schmunzelt die Enkelin des britischen Schriftstellers Roald Dahl („Küsschen, Küsschen“).
Heute bringt Sophie gesunde 63 Kilogramm auf die Waage. Und würde gern wieder Vorbild sein. Nicht für Dicke oder Dürre, sondern für ein gesundes Essverhalten. „Viele Stars gehen für ihre Linie durch die Hölle“, weiß Sophie, die den Absprung geschafft hat. „Natürlich hätte ich gern einen Hintern wie JLo“, gibt sie zu. „Aber mal ehrlich: Das schafft kein Workout dieser Welt …“
Maren Gäbel