Vany.schreibt: "Ein unliebsames Gefühl beim Schauen einer Serie. Und trotzdem liebe ich jede einzelne Szene. Wie passt das zusammen?"
Seit letzter Woche läuft bei mir fast schon in Dauerschleife die zweite Staffel der Erfolgsserie "Die Discounter". Eine Serie, in der die Filiale Kolinski in Hamburg Altona und deren Mitarbeiter:innen im Vordergrund stehen. Alles gemacht im Mockumentary-Style. Inklusive peinlich berührtes in die Kamera Schauen á la "The Office". Auch in Sachen Fremdscham steht die Serie "The Office" in nichts nach. Manche Situationen sind dabei so unangenehm, dass ich den "Cringe" sogar physisch spüre – meistens in der oberen Bauchgegend, die sich dann ganz unangenehm zusammenzieht. Ja, richtig: Ein unliebsames Gefühl beim Schauen einer Serie. Und trotzdem liebe ich jede einzelne Szene. Wie passt das zusammen?
Ich vermute, dass es die richtige Mischung aus Fremdscham, Protagonist:innen, mit denen man sich identifizieren kann, einer Prise "Wokeness" und der Situationskomik, die teilweise durch die sogenannten "Bomben", wirklich erst am Set entsteht, ist. Unter einer Bombe verstehen die Macher von "Die Discounter", dass sie kurz bevor eine Szene gedreht wird, einem oder einer Protagonist:in etwas ins Ohr flüstern, was sie in der Szene tun soll. Der oder die andere weiß aber davon nichts. Da entstehen dann Schmankerl, wie Fast-Küsse, denen nur halb gekonnt ausgewichen werden kann. Und die Reaktion ist echt, da improvisiert wird. Das merkt man.
Und ich möchte mir einfach vorstellen, dass alle am Set selbst unglaublich viel Spaß haben und jeder nicht nur eine Rolle spielt, sondern auch etwas von sich selbst einbringt. Wenn man sich mal das ganze Behind-The-Scenes-Material auf TikTok anschaut, dann wirkt es zumindest auch so. Aber all das macht "Die Discounter" für mich noch nicht zu dem Serientipp des Jahres für mich. Es gibt nämlich einen ganz besonderen Star in der Serie: Jonas. Jonas ist der Security-Mann in der Filiale und hat leider überhaupt kein gutes Händchen für seinen Job. Dafür weckt Jonas unser aller Beschützerinstinkt. Jonas hat ein großes Herz (das hat er von der Mama) und Jonas wünscht sich doch nur eines: Einfach glücklich im Leben zu sein. Leider wird ihm dieser Wunsch nie wirklich erfüllt, denn für Jonas kommt es immer knüppeldicke. Nicht zuletzt wegen seines Chefs Thorsten, der ihn auch mal ein Glas von seinem Urin trinken lässt, es aber immer irgendwie gut mit ihm meint. Zum Beispiel als Jonas sich in seinen Bruder verliebt hat, das aber nicht weiß und Thorsten versucht, ihn zu warnen. Das ist echte Wertschätzung von Arbeitgeber zu Arbeitnehmer.
Bei allem Humor, der in der Serie nicht zu kurz kommt, fließt doch immer wieder eine gute Message mit ein. So erscheint die weiße Pina einen Tag nach dem gemeinsamen Kiffen mit Cornrows auf dem Kopf, was von ihrer BIPOC Kollegin Flora scharf kritisiert wird: "Wenn Leute, die aussehen wie ich, so rumlaufen, kriegen wir keine Jobs oder Wohnungen.“ Sätze, über die man - neben all dem Entertainment - mal nachdenken sollte. Auch stark ist die Folge, die komplett dem Feminismus gewidmet ist. Filialleiter Thorsten bekommt es einfach nicht auf die Reihe, richtig zu gendern und steigert sich, wie der alte weiße Mann, der er nun mal ist, richtig schön in das Gendergaga rein. Zumindest sein Wort "Scheidenpeter" klingt ziemlich gaga für mich.
"Die Discounter" ist eine Serie für alle, die Fans von "Jerks", "Stromberg" oder "Wrong" sind und die sich gerne fragen "Darf man das???". Denn es ist immer ein wenig drüber, geht aber nicht unter die Gürtellinie. Ich bin Fan und freue mich schon jetzt auf Staffel 3.
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