Diagnose Cauda-equina-Syndrom
Alles begann 2008 mit starken Rückenschmerzen. Ginny Atchison dachte sich nicht viel dabei, vermutete eine harmlose Muskelzerrung. Doch die Schmerzen wurden schließlich so unerträglich, dass sie in die Notaufnahme des Norfolk and Norwich University Hospital ging. Dort wurde ihr, ohne ernsthafte Untersuchungen, ein Bandscheibenvorfall attestiert. Sie bekam Stunden beim Physiotherapeuten verschrieben. Ginny glaubte den Ärzten. Doch Linderung trat nicht ein.
Schließlich bat sie darum, Kernspin-Bilder ihrer Wirbelsäule machen zu lassen. Doch die selbst ernannten Götter in Weiß lehnten das ab. Erst ein Jahr später, nachdem sie förmlich darum bettelte, wurde sie in die Röhre geschoben. Der Scan brachte jedoch nicht die erhoffte Klarheit, weil die Ärzte das Cauda-equina-Syndrom darauf übersahen.
Viel zu spät machten die Ärzte Kernspin-Bilder von ihrem Rücken, wertvolle Zeit ging verloren (© iStock)
Bei der seltenen Krankheit werden Nerven im Rücken extrem gequetscht, sterben ab. Und genau das geschah bei Ginny. Wertvolle Zeit verstrich, bis sie im August 2011 verwundert feststellte, dass sie seit über 24 Sunden nicht auf der Toilette war. Besorgt fuhr sie erneut in die Notaufnahme. Dort geschah es:
Ginny Atchison: „Bis heute fühle ich nichts im Genitalbereich“
Sofort wurde die Kosmetikerin in den OP-Saal geschoben. Während des Eingriffs stellten die Ärzte schließlich fest, dass sie an dem Syndrom leidet und es bereits so fortgeschritten war, dass sie glaubten, Atchison könne nie wieder laufen.
Heute ist Ginny inkontinent, kann nicht mehr zur Arbeit gehen, weil sie ständig auf einen Katheter angewiesen ist. Ihr Partner trennte sich von ihr, weil ihr Sexleben zum Erliegen kam. Und das, obwohl sie psychologische Beratung, Physiotherapie und sogar Vibratoren ausprobierte – doch nichts half. „Du gehst eigentlich nicht davon aus, dass du in deinen Vierzigern keinen Sex mehr haben wirst. Das war immer wichtig für mich, auch wenn ich jetzt keinen Partner mehr habe, vermisse ich die Intimität“, meint sie traurig. Inkontinent und nie wieder einen Orgasmus haben können, Ginnys Leben liegt in Scherben.
Große Stütze: Von ihrem Partner wurde Ginny nach der Diagnose verlassen, aber Sohn Leo ist immer für sie da (© privat)
Deshalb verklagte sie die Klinik auf Schadensersatz und gewann den Prozess. Insgesamt 1,7 Millionen Euro muss die Klinik im britischen Norfolk ihr zahlen und entschuldigte sich bei ihr: „Es tut uns sehr leid, dass wir Miss Atchison nicht die Hilfe geben konnten, die sie gebraucht hätte. Das Wohl unserer Patienten ist das Wichtigste für uns, weshalb wir neue Standards und Kontrollen eingeführt haben“, sagt Klinikdirektor Dr. Venu Harilal. Für Ginny kommen diese zu spät. Von der erstrittenen Summe möchte sie ihr Haus behindertengerecht umbauen und Pfleger bezahlen, damit ihr Sohn Leo, 20, studieren und sich ein eigenes Leben aufbauen kann:
Text: Lennard Jähne
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