"Tatsächlich ... Liebe": "Man sollte solche alten Filme eben ein wenig mit Vorsicht genießen, schwierige Szenen einordnen und vielleicht auch als Anlass nehmen, um über solche Themen wie Bodyshaming oder toxischer Männlichkeit nachzudenken."
Weihnachten ist um die Ecke und wir haben wahrscheinlich alle diesen einen liebsten Weihnachtsfilm. Bei manchen ist es "Kevin - Allein zu Haus", andere mögen vielleicht "The Holiday" mehr und mein liebster Weihachtsfilm ist und bleibt "Tatsächlich … Liebe". Und jedes Jahr aufs Neue, wenn ich ihn sehe und währenddessen meine political correctnes und der Feminismus meinen Körper verlässt, frage ich mich: Wieso mag ich diesen Film überhaupt?
Viele der Szenen sind – wie man heute sagen würde – problematisch. Da gibt es zum Beispiel die Rolle der Natalie, die dem Prime Minister von England hoffnungslos verfällt. So weit, so gut. Aber den ganzen Film über wird diese SCHLANKE Frau gebodyshamed. Ständig wird ihr eingeredet, sie sei dick. Sie selbst redet sogar davon, als hätte sie es einfach akzeptiert, dass sie eben dick sei, wobei ich bei bestem Willen nicht erkennen kann, wo diese Frau dick sein soll. Ich bin in den 2000ern aufgewachsen und ich kann sagen: Diese verzerrte Wahrnehmung in Filmen und Serien dieser Zeit, was ein dicker Körper und ein schlanker Körper ist, hat mich sehr verunsichert. Das restliche bisschen Selbstbewusstsein hat mir dann "Germanys Next Topmodel" genommen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Manche Stories sind aber auch total befremdlich. Da gibt es also einen Schriftsteller, der sich in ein einsames Haus zurückzieht, um an seinem neuen Werk zu schreiben. So weit, so gut. Aber dann verliebt er sich plötzlich in seine portugiesische Haushaltshilfe, die kein Wort Englisch spricht??? ALS ER SIE DAS ERSTE MAL IM BIKINI SIEHT????? Ernsthaft – das sind die Vorstellungen von Romantik, die da vermittelt werden sollen?
Ich könnte mich ewig über "Tatsächlich … Liebe" aufregen. Die andere Seite ist aber diese: Während ich diese Kolumne schreibe und mich so furchtbar darüber echauffiere, wie sinnlos manche Storylines sind, schaue ich mir die Szene des Heiratsantrages von dem Schriftsteller an seine portugiesische Haushaltshilfe auf YouTube an und mir kommen schon wieder die Tränen. Ich kann nichts dafür: Ich glaube, es ist einfach tief in mir verwurzelt, dass ich dieses Level an sinnlosem Kitsch (gegen den ich mich so sehr zu wehren versuche) eben doch liebe. Und es ist okay, finde ich.
Man sollte solche alten Filme (er ist inzwischen immerhin schon 19 Jahre alt) eben ein wenig mit Vorsicht genießen, schwierige Szenen einordnen und vielleicht auch als Anlass nehmen, um über solche Themen wie Bodyshaming oder toxischer Männlichkeit (zum Beispiel als Liam Neeson einen Tag nach der Beerdigung seiner Frau weint und er sich einfach mal zusammenreißen sollte, weil ihn sonst doch keiner mehr flachlegen will) nachzudenken.
Und solange die schönen Momente überwiegen, wie beispielsweise der Ohrwurm "Christmas is around us" oder Hugh Grant, der durch sein Büro tanzt oder, oder, oder… ist und bleibt es letztendlich ein toller Weihnachtsfilm, der eben aus einer anderen Zeit kommt. Nein, wie Emma Thompson die CD auspackt, gehört selbstverständlich nicht zu den schönsten Momenten, ich heule jedes Jahr.
In diesem Sinne: Gönnt euch eure liebsten Weihnachtsfilme ohne schlechtes Gewissen!
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