Sporterfindung "Laufmaus" – Wie ein Schicksalsschlag zum Verkaufshit führte

Sporterfindung "Laufmaus" – Wie ein Schicksalsschlag zum Verkaufs-Hit führte

Bahnbrechende Erfindungen entstehen oft aus Mängeln und Problemen heraus. So war es auch bei Dr. med. Horst Schüler. Bei ihm allerdings kam noch ein Schicksalsschlag als Ursache hinzu. Heute revolutioniert seine Innovation – die Laufmaus – den Laufsport.

Revolutionen im Laufsport sind rar, aber wirkungsvoll © Unsplash/Andrew Tanglao

Der promovierte Sportmediziner und Osteopath erlitt im Jahr 2007 einen Verkehrsunfall, in dessen Folge sein Rückenmark gequetscht war. Der einst so agile Arzt war ans Bett gefesselt, eine Operation erschien als zu riskant. Er litt unter chronischen Schmerzen, hatte keine Kontrolle mehr über seine Arme und Beine und war aus dem beruflichen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Erst ein Jahr später wagte ein Chirurg eine OP – worauf sich sein Zustand um 50 Prozent verbesserte. Immerhin, aber nicht genug. Zumal er auch weiterhin nicht ohne Schmerzen gehen und sitzen konnte. Da nichts mehr half, nahm der Mediziner selbst das Heft des Handelns in die Hand – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. „Irgendwann kam ich darauf, meine Arme und Hände in eine Entlastungsposition zu bringen, die meine Verkrampfungen minderte: Ich habe die Arme angewinkelt und die Handflächen nach oben gewendet. In dieser Position entspannte sich mein gesamter Körper“, berichtet Dr. Schüler. Die Idee „Laufmaus“ wurde geboren, die ihm schließlich sein früheres Leben zurückgegeben hat.

Die Höhle der Löwen: Starinvestoren steigen ein

Alles fing mit einem Knete-Prototyp an. Gemeinsam mit einem fachübergreifenden Team – zu dem Sportwissenschaftler Martin Rutemöller, Oliver Baumgärtel und Thomas Pieper gehörten – entwickelte Schüler schließlich ein ergonomisch geformtes Griffelement für die Hände. Zusammen gründeten sie Ende 2019 die Firma Flowtastic, Rutemöller wurde ihr Geschäftsführer. Ein 3D-Drucker fertigte erste Kunststoffprototypen der Laufmaus als produktionsfähiges Modell. Im Mai 2020 war das erste Produkt fertig – und nach drei Monaten bereits wurden sie in die Kult-Sendung „Die Höhle der Löwen“ eingeladen. Dort schlugen die beiden Starinvestoren Carsten Maschmeyer und Nils Glagau zu und stiegen für 25,1 Prozent der Anteile bei Flowtastic ein. Glagau überzeugte das Produkt: „Es schafft mehr Gesundheit für jeden Läufer, für jeden, der sich bewegt.“ Für Maschmeyer waren vor allem die Gründer überzeugend: „Ich liebe es, wenn der Erfinder aus der Biografie zum Produkt passt. Tolles Team.“

Mit geballter Kompetenz – jeder auf seinem Gebiet – haben sie die Laufmaus bis heute 40.000-mal verkauft: an Leistungs- und Hobbyläufer, vor allem aber auch an Leute, denen es so ergangen ist wie Schüler. 60 Prozent der Kunden sind Frauen. Daneben konnten die Gründer zahlreiche weitere Partner, Produktbotschafter und Kunden gewinnen, darunter Europameister Jan Fitschen (10.000 Meter; 2006) und Sven Kruse, DOSB-Physiotherapeut und Betreuer von zahlreichen Olympiasiegern und Weltmeistern. 

Eine der wenigen Innovationen fürs Laufen

Die Laufmaus stellt eine der wenigen Neuerungen beim Laufen überhaupt dar, obendrein mit einer nachhaltigen und medizinischen Wirkung. Wie aber wirkt das Gerät genau? Was spielt sich in unserem Körper ab? Sportmediziner Schüler erklärt es: „Unsere aus medizinischem Kunststoff gedruckte Laufmaus löst anatomische Kettenphänomene aus, vergleichbar mit sensormotorischen Schuheinlagen – allerdings von den Handflächen aus, die direkter mit dem Gehirn und der Motorik verknüpft sind als Füße und andere Körperteile.“ Die Konstruktion sorgt dafür, dass sich der Handrücken leicht nach außen dreht. Der Daumen zeigt nach vorn oben, der Zeigefinger ist gestreckt. Die Wirkung ist überwältigend: Im Unterarm tritt eine Entspannung ein, der Oberkörper richtet sich auf und ist stabiler. Damit senkt die Laufmaus den Energieverbrauch, verbessert die Haltung, verringert Laufprobleme und Gelenkbelastungen und löst Verkrampfungen. Unterm Strich macht sie das Laufen effizienterer, ökonomischer und ergonomischer.

Zukunft im Visier

Die Wirkung der Laufmaus ist wissenschaftlich belegt. Hintergrund ist, dass besonders beim Sport die aufrechte Körperhaltung Voraussetzung für Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit ist. Der Körperschwerpunkt und die Stellung des Schulter-Arm-Komplexes haben für alle Bewegungsabläufe des menschlichen Körpers eine extrem wichtige Bedeutung. Wer sich für das Gerät entscheidet, benötigt in der Regel sechs Übungseinheiten, bis sich der Körper an die neue Bewegung angepasst hat.

Kann man deshalb nicht auch etwas anderes in die Hand nehmen? Etwa ein Stück Holz? „Nein“, winkt Erfinder Schüler ab: „Gerade die Ansteuerung der richtigen Handareale ist entscheidend, um die motorische und sensomotorische Wirkungsweise der Laufmaus zu erreichen. Ein Stück Holz kann die für uns wichtigen Handareale nicht adressieren.“ Dabei sind diese dahinterstehenden Mechanismen in unserem Körper seit Jahrzehnten erforscht. Allerdings wurden daraus nie praktische Schlüsse gezogen oder Produkte entwickelt. Und so war leider ein Unfall nötig, der ein Entwicklerteam aus Medizinern, Sportwissenschaftlern, Ingenieuren und Produktspezialisten zusammenbrachte. Carsten Maschmeyer und Nils Glagau dürfte es freuen – und ebenso die Kunden, die die Laufmaus so dringend brauchen.