Tony Marshall mochte gar keine Gute-Laune-Lieder
Er wollte so gern ein zweiter Charles Aznavour (†94) werden. Mit tiefgründigen, originellen und romantischen Chansons sein Geld verdienen. Als Tony Marshall (†85) 1965 sein Examen als Opernsänger (Musikhochschule Karlsruhe) in den Händen hielt, hatte Aznavour gerade ein Nummer-1-Album in Deutschland. Und der Fan aus Baden-Baden war hoch motiviert, es ihm gleichzutun. Umso größer die Enttäuschung, als er schnell realisierte, dass seine ersten drei Singles kaum Beachtung fanden.
Söhnchen Marc war damals drei, Ehefrau Gaby (85) mit dem zweiten Kind schwanger. Der Familienvater musste dringend Geld verdienen. In seiner Heimatstadt im idyllischen Schwarzwald eröffnete er eine Kneipe – und eines Abends kam es zu einer Begegnung, die sein Leben verändern sollte. Musikproduzent Jack White (83), der damals gelegentlich als Discjockey im rheinland-pfälzischen Pirmasens jobbte und an Marshalls Single „Aline“ Gefallen gefunden hatte, wollte den Mann mit der ausdrucksstarken Stimme unbedingt persönlich kennenlernen. Die Männer fanden sich auf Anhieb sympathisch und White bot ihm einen brandneuen Song an, den er zu einer Melodie der neuseeländischen Volksweise „Nau Haka Taranga“ geschrieben hatte. Tony Marshall war aber von dem platten Stimmungsmacher „Schöne Maid“ gar nicht begeistert und hatte sich etwas überlegt, um Jack White wieder zu vergraulen ...
Vor der Aufnahme trank er Rotwein
Zur Aufnahme in Whites Studio kam er zwar pünktlich, hatte aber ein paar Gläser Chianti intus. Doch das sollte überhaupt nicht von Nachteil gewesen sein, der Song verkaufte sich allein im Erscheinungsjahr 1971 mehr als eine Million Mal. „Wenn man aus der klassischen Musik kommt und plötzlich Trallala und Hoppsassa singen soll, muss man sich erst mal daran gewöhnen“, stellte Marshall fest, nachdem er über Nacht zum „Fröhlichmacher der Nation“ wurde. Ein Jahr später erschien „Komm gib mir deine Hand“ – sein erster und einziger Nummer-Eins-Hit.
Seine Frau verzieh ihm sogar die Affären
Marshall lebte vor allem von Auftritten, er tourte durch die ganze Welt. Sogar in Afrika, Japan und in Nordamerika kannte man seine Lieder. In den wichtigsten Musiksendungen war er Dauergast, von 1982 bis 1999 hatte er sogar seine eigene Show, „Laß das mal den Tony machen“ im ZDF. Die Menschen mochten den Sänger, der immer geradeheraus war. Er sagte Sachen wie „Ob blond, ob braun – ich liebe alle Frauen“ und niemand war ihm böse. Nicht mal seine eigene Ehefrau, die ihm zahlreiche Seitensprünge verzieh. Bis zu seinem Tod blieb sie bei ihm. Sie war da, als er sich mit Immobilien verspekulierte und sein gesamtes Vermögen verlor. Und auch als er 2012 schwer krank wurde und zeitweise im Rollstuhl sitzen musste. So lange er gute Laune verbreiten konnte, ließ bei ihm die Lebensfreude nicht nach. Als er nach einem Schlaganfall 2019 eine Rehaklinik be- suchen musste, trat er dort für die Patienten auf. Da gab’s Musik für alle auf Rezept.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe von FRAU MIT HERZ. Weitere spannende Star-News liest du in der aktuellen FRAU MIT HERZ! – Jeden Samstag neu am Kiosk.