Robbie Williams: "Es stellt sich bei mir schnell die absolute Überforderung ein"
Er ist einer der größten Popstars unserer Zeit: Mit der britischen Boyband Take That wurde er Anfang der 1990er Jahre weltberühmt, nach seinem Ausstieg startete Robbie Williams eine fulminante Solo-Karriere. Doch auch die war von vielen Skandalen und Exzessen geprägt! Im INterview blickt der Entertainer auf seine wilde Vergangenheit zurück – und verrät, wie seine psychischen Erkrankungen ihm das Leben schwer machen ...
IN: Robbie, wie geht es dir, wo bist du gerade?
Ich bin in Südfrankreich. Familienurlaub.
IN: Du hast ein bisschen Farbe gekriegt.
Oh ja. Heiß ist es hier. Fast schon zu heiß.
IN: Genießt du den Urlaub trotzdem?
Sehr sogar. Wir treffen hier andauernd Menschen, was für mich ein wenig ungewohnt ist. Meine Frau ist sehr, sehr sozial und kommunikativ, und ich hatte von mir selbst gedacht, dass ich auch so sein würde, wenn ich mit ihr zusammen bin. Aber mein Körper und meine Psyche sind nicht so gut imstande dazu. Einerseits fühle ich mich supersexy im Süden Frankreichs mit meiner tollen Frau. Auf der anderen Seite stellt sich bei mir schnell die absolute Überforderung ein, wenn ich mal wieder genötigt bin, Smalltalk mit Milliardären zu halten (lacht).
"Ich will lernen, wie man nüchtern unter die Leute geht"
IN: Du arbeitest womöglich selbst dran, einer zu werden, oder?
Naja, mal langsam. Aber ja, ich komme zurecht. Ich habe ein paar sehr gute Freunde, die unglaublich viel Geld haben und trotzdem total lieb-reizende Menschen sind. Ob jemand nett ist oder auf deiner Wellenlänge, hat ja nichts mit dem Kontostand der Person zu tun. Jedenfalls muss ich noch ein bisschen daran arbeiten, etwas offener zu sein und auf die Leute zuzugehen, während ich gleichzeitig auf meine mentale Gesundheit achtgebe. So oder so habe ich aber in jüngster Zeit gelernt, dass es nicht gut für mich ist, mich bis ans Ende meines Lebens zu isolieren. Vor allem will ich endlich lernen, wie man im nüchternen Zustand unter die Leute geht.
IN: Du trinkst aber doch schon lange nicht mehr, oder?
Ich hatte seit 22 Jahren keinen Drink mehr. Der Anpassungsprozess verläuft sehr langsam (schmunzelt).
IN: Würdest du gerne aus deiner eigenen Haut schlüpfen?
Mittlerweile bin ich gerne in mir selbst zu Hause. In einer sehr unbeständigen Welt, in der Karrieren kaum noch planbar sind, hatte ich ein fast unverschämtes Glück. Was in Zukunft auch passieren mag, ich werde immer meinen Namen haben. Und ich muss sagen, für jemanden mit einem dermaßen fragilen Ego wie mich, ist dieser Zustand sehr, sehr wohltuend und beruhigend.
IN: Warum?
Weil ich abhängig bin vom Gefühl, erfolgreich zu sein. Und weil ich in besonders hohem Maße um mich selbst kreise. Gewissheit darüber zu haben, kein Niemand zu sein und auch keiner mehr zu werden, hat für mich einen hohen Stellenwert.
IN: Würdest du gern noch einmal Anfang 20 sein und am Anfang deiner Solokarriere stehen?
Nein, bloß nicht! Ich denke manchmal an diese Phase in meinem Leben zurück, aber nie mit Wehmut oder Sehnsucht.
Robbie ist gerne mal nackt – betont aber im INterview: „Ich denke, wenn ich einen größeren Penis hätte, würde ich Nudismus vielleicht mal ausprobieren.“
"Habe mir ewig das Hirn zermartert, was an mir nicht stimmt"
IN: Wird die Jugend generell überschätzt?
Vielleicht nicht für andere Leute, aber für mich persönlich war diese Zeit halt nicht so toll. Es ist wirklich eine Schande, wenn ich darüber nachdenke, dass die allererfolgreichsten Jahre meines Lebens hinter Schloss und Riegel meines verkorksten Gehirns stattfanden. Ich war viel zu lange ein Gefangener meiner miserablen psychischen Verfassung.
IN: Du hast vor wenigen Wochen bei einem Auftritt in Saint Tropez sehr offen über deine psychischen Erkrankungen und deine Süchte gesprochen. Überhaupt hat sich die Gesellschaft in diesen Fragen geöffnet. Begrüßt du diese Entwicklung?
Oh, voll und ganz. Ich habe mir ewig lange das Hirn zermartert, warum ich so bin, wie ich bin, und was an mir nicht stimmt und warum ich so leiden muss, und ich erhielt dafür keine Freundlichkeit, kein Wohlwollen, keine Empathie. Ich wurde verurteilt, mit den üblichen Sprüchen wie „Reiß‘ dich mal zusammen“ oder „Worüber willst denn ausgerechnet du dich beklagen?“ Heute verstehen die Leute, dass auch reiche, berühmte Menschen unter einer schlechten psychischen Gesundheit leiden können. Es ist eine große Erleichterung, dass wir jetzt in einer Zeit leben, in der Mental-Health-Probleme als Realität für sehr viele Menschen akzeptiert sind.
"Der Selbstzerfleischer in meinem Kopf hat olympische Ausmaße"
IN: Du lebst seit Jahren teilweise in Los Angeles. Dort sind alle immer super drauf oder tun wenigstens so. Hat das auf dich abgefärbt?
Du hast recht, in Amerika funktionieren die Menschen genau andersherum als ich. Aber ich kann aus Erfahrung sagen: Der Selbstzerfleischer in meinem Kopf hat olympische Ausmaße. Auch Los Angeles hat ihm nichts anhaben können.
"Ich liebe meine Kinder mehr als alles andere"
IN: Deine Frau Ayda Field ist Amerikanerin. Kann sie den Zerfleischer nicht entschärfen?
Ayda ist von ihrer Art her sehr europäisch. Dieses amerikanische „Alles ist super“-Mantra ist auch nicht ihr Ding.
IN: Wie geht es den Kids überhaupt?
Wirklich, wirklich hervorragend. Alle vier sind wundervolle Persönlichkeiten. Sie sind höflich. Sie sagen „bitte“ und „danke“. Sie schauen die Leute an, wenn sie mit ihnen reden. Sie haben Meinungen und Gedanken und sind lustig. Und ich liebe die vier mehr als alles andere, was ich je geliebt habe. Meine Kinder sind wirklich cool.
Am 9. September erscheint Robbies neues Album „XXV“ – darauf hat er seine größten Hits mit einem niederländischen Orchester neu eingespielt.
Interview aus der IN-Printausgabe von: SR
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